„Die finanzielle Situation der Krankenhäuser im Land und von der Ortenau bis Lörrach spitzt sich immer mehr zu“, macht der Verbandsdirektor der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft (BWKG) Matthias Einwag am Montag, den 8. April bei einer Veranstaltung „Für eine faire Krankenhausfinanzierung!“ in Freiburg klar. „Wir erwarten deshalb eine nachhaltige Kurskorrektur in der Krankenhauspolitik“, so Einwag weiter. Die BWKG und die Krankenhäuser aus der Region appellieren gemeinsam an die Bundes- und Landespolitiker, die Unterfinanzierung der Krankenhäuser schnell und dauerhaft zu stoppen. Im „BWKG-Indikator Herbst 2012“ haben 51,4 Prozent der Krankenhäuser angegeben, dass sie 2012 rote Zahlen schreiben, und 60 Prozent erwarten, dass sich die Situation in 2013 weiter verschlechtert. „Um die Patientenversorgung zu sichern, muss die Politik handeln – und zwar jetzt“, fordert Einwag. Die Bundespolitik muss ihre Eckpunkte, wonach es noch in dieser Legislaturperiode Verbesserungen geben soll, nachbessern und schnell in verbindliche Gesetze fassen. „Mit dem Spatz auf dem Dach ist den Krankenhäusern nicht geholfen“, so Einwag.
Der Leitende Ärztliche Direktor und Vorstandsvorsitzende des Universitätsklinikums Freiburg Professor Siewert fasst die Probleme der Krankenhäuser in der Region wie folgt zusammen: „Ob Universitätsklinikum, großes städtisches oder kleines Landkrankenhaus – die wirtschaftliche Lage aller Krankenhäuser hat sich in den vergangenen Jahren drastisch verschlechtert.“
„Die Krankenhäuser brauchen eine faire und verlässliche Finanzierung“, sind sich Einwag und Siewert einig. Nur so könne die Versorgung der Menschen in Zukunft sichergestellt werden. Die folgenden drei Forderungen müssen dazu umgehend umgesetzt werden:
- Die zunehmende Belastung des Personals muss verhindert werden. Deshalb müssen die tarifbedingten Personalkostensteigerungen und steigende Sachkosten, beispielsweise im Energiebereich oder bei den Prämien der Haftpflichtversicherung zu einer Steigerung der Krankenhausvergütung in einem entsprechenden Ausmaß führen. Die in den Eckpunkten von CDU/CSU und FDP vorgesehene anteilige Finanzierung der Tariferhöhungen reicht dazu bei weitem nicht aus. Für ganz Deutschland sind hierfür 20 - 40 Millionen Euro eingeplant. Davon würden etwa drei Millionen Euro auf Baden-Württemberg entfallen. Die Deckungslücke in 2013 beträgt aber ein Vielfaches davon und eine langfristige verbindliche Lösung des Problems ist noch unsicher.
- Ein Krankenhaus, das bedarfsgerecht ist und wirtschaftlich arbeitet, muss ohne zusätzliche Fälle in der Lage sein, die Betriebskosten zu decken. Deshalb muss der Mechanismus, dass bei steigenden Patientenzahlen im Land der Erlös je Fall für alle Krankenhäuser sinkt, ein für alle Mal gestrichen werden. Die in den Eckpunkten vorgesehenen Maßnahmen bringen nur eine Linderung für 2013 und 2014. Die Krankenhäuser brauchen aber nachhaltige und langfristig stabile Rahmenbedingungen.
- Die Investitionskosten der Krankenhäuser müssen vom Land finanziert werden. Hierauf haben die Krankenhäuser einen Rechtsanspruch. Dennoch besteht bei den dringlichen Bauprojekten ein Investitionsstau im Umfang eines hohen dreistelligen Millionenbetrags in Baden-Württemberg. Das Land hat bereits erste Schritte zur Aufstockung der Investitionsfinanzierung gemacht, denen aber weitere mutige Schritte folgen müssen, um den bestehenden Investitionsstau abzubauen.
Die unzureichenden Rahmenbedingungen für die Krankenhäuser haben in der Region von der Ortenau bis nach Lörrach ganz konkrete Auswirkungen:
Der Landrat des Ortenaukreises Frank Scherer fordert die Finanzierung der Kliniken so zu verbessern, dass Tariferhöhungen beim Krankenhauspersonal bezahlt werden können. „Ordnungspolitisch ist es nicht akzeptabel, dass Kommunen wiederholt Defizite übernehmen müssen, die der Bund durch entsprechende Gesetzgebung zu vertreten hat“, kritisiert Scherer, der durch die unzureichende Krankenhausfinanzierung zudem die wohnortnahe Patientenversorgung im ländlichen Raum massiv bedroht sieht.
Helmut Schillinger, Geschäftsführer des RKK Freiburg, des Kreiskrankenhauses Emmendingen und des St. Elisabethen Krankenhauses in Lörrach: „Das ganze Dilemma der Krankenhausfinanzierung wird am Beispiel unseres St. Elisabethen-Krankenhauses Lörrach deutlich. Im Rahmen des „Lörracher Weges“ wurden bereits 2006 optimale Krankenhausstrukturen geschaffen, d.h. jedes Fachgebiet wird nur noch ein Mal vorgehalten – in den Kreiskliniken oder im St. Elisabethen-Krankenhaus. Damit werden unwirtschaftliche Doppelstrukturen vermieden. Dennoch sind wir als Alleinversorger für die Bereiche Kinder- und Jugendmedizin mit Psychiatrie sowie Gynäkologie und Geburtshilfe (mit über 1.700 Geburten) massiv unterfinanziert. Die Sicherstellung der Versorgung der Patienten rund um die Uhr führt zu hohen Vorhaltekosten, die nur teilweise durch die Fallpauschalen finanziert werden. Außerdem reichen die jährlichen Budgetsteigerungen nicht aus, um die gerechtfertigten Tarifsteigerungen zu finanzieren. Die Bundespolitik muss endlich Rahmenbedingungen schaffen, um die Qualität der medizinischen Versorgung nachhaltig sicherzustellen.“
"Die Investitionszuschüsse der Länder für die Universitätskliniken sind seit Jahren rückläufig und unzureichend“, so der Kaufmännische Direktor des Universitätsklinikums Freiburg Reinhold Keil. „Das beeinträchtigt die Uniklinika beim Ausbau ihrer Infrastruktur oder zwingt sie diese Kosten – zumindest teilweise – selbst zu tragen. Gleichzeitig steigen die Ausgaben für Löhne, Medikamente und Extremkostenfälle viel schneller als die Entgelte der Krankenkassen. Zudem werden mit den Fallpauschalen der Krankenkassen (DRGs) die zentralen zusätzlichen Aufgaben der Universitätsklinika für das Gesundheitssystem wie ärztliche Aus- und Weiterbildung, Spezial-Ambulanzen und Notfallversorgung rund um die Uhr nicht angemessen vergütet. Seit Jahren müssen die Universitätsklinika deshalb mehr Geld ausgeben, als sie einnehmen. Das ist auf Dauer nicht durchzuhalten.“
Michael Decker, Vorstandsvorsitzender des Evangelischen Diakoniekrankenhauses Freiburg:
„Die sogar rückläufige Entwicklung der Vergütung für eine „normale Geburt“ in den letzten Jahren illustriert sehr deutlich, dass sich die Finanzierung der Krankenhausleistungen immer weiter verschlechtert. Es werden nicht einmal die ganz regulären und absolut gerechtfertigten Tariferhöhungen finanziert. Jede Tarifanpassung führt so zwangsläufig zu nicht mehr bezahlbaren Stellenanteilen und damit zu einer stetig zunehmenden Arbeitsverdichtung: Von 2004 bis 2012 ist bei uns allein im Bereich der Geburtshilfe eine Unterdeckung von 400.000 Euro oder umgerechnet neun Vollkräften entstanden. Die Belastungsgrenze unserer engagierten Mitarbeiter ist mittlerweile mehr als erreicht. Warum dieses Problem so kleingeredet wird ist, für uns völlig unbegreiflich.“
Helmut Pötzsch, Personalratsvorsitzender des Universitätsklinikums Freiburg:
„Die Arbeitssituation der Pflegenden spitzt sich dramatisch zu. Nach dem seit Jahren die Organisations- und Ablaufprozesse in den Kliniken optimiert wurden, ist nun der Zeitpunkt erreicht, ab dem sich die Versorgung der Patienten nur noch verschlechtern kann. Ein Abbau von Pflegestellen auf den Stationen als Kostenersparnis ist ein Reflex der Klinikvorstände auf den wachsenden Kostendruck. Diesem Reflex muss Einhalt geboten werden. Neben einer zu Ende gedachten Finanzierung der Krankenhäuser braucht es nach meiner Überzeugung zum Schutz der Patientinnen und Patienten und der Beschäftigten in den Krankenhäusern gesetzliche Personalbemessungen für die Stationen und Intensiveinheiten. Ich bin mir sicher, dass ohne eine solche Regelung Sparmaßnahmen immer wieder gefordert werden und sich die Abwanderung der Pflegenden massiv beschleunigen wird. Jeder von uns kann Patient werden, bald müssen wir uns dann selber helfen.“